Blockparty
Rückblick

Blockparty

Theodor Böddener
10.11.2025
7 Min. Lesezeit

Die legendäre Peace Harmony Blockparty in der Kolonnadenstraße - und wieso diese so nicht wieder stattfinden kann

Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass unsere Peace Harmony Blockparty dieses Jahr überhaupt stattfand. Niemand aus unserem Team hatte Erfahrung mit Veranstaltungen dieser Größenordnung, und wir haben viel zu spät angefangen, unsere tollen Ideen in die Tat umzusetzen. Trotzdem haben wir es mit viel Engagement und unter Zeitdruck entstandenen Höchstleistungen geschafft, dieses Riesenprojekt auf die Beine zu stellen.

Kapitel 1: Naivität

Wir springen kurz zurück ins Jahr 2024. Wir hatten inzwischen ein bisschen Event-Erfahrung gesammelt und uns vorgenommen, im Jahr darauf eine große Blockparty zu veranstalten – inspiriert von den legendären Straßenfesten im New York der 70er, 80er und 90er. Kommerz beiseite, DIY im Vordergrund: Bühne aufbauen, Anlage hinstellen, Artists einladen und gemeinsam feiern.

Eine Suche nach einem Ort fand eigentlich nie statt. Die Idee entstand an einem unserer Stammtische im Goldhopfen, mitten in der Kolonnadenstraße – also genau dort, wo viele von uns ihre ganze Jugend bereits ein- und ausgingen, wo Kultur und Gemeinschaft ineinandergreifen wie selten sonst. Für uns war klar: Wenn wir ein Straßenfest machen, dann in der Kolo. 

Das Konzept stand also schnell: junge Leipziger Artists für ein großes, festivalähnliches Straßenfest mobilisieren. Der Rest ergibt sich schon. Ende 2024 bzw. Anfang 2025 stand auch ein Termin: Samstag, der 21. Juni – der letzte Samstag des Schuljahres. Und wie das mit Träumereien so ist: Man schiebt sie vor sich her, bis man sie vergisst.

Ablenkung hatten wir genug: andere Veranstaltungen, zu wenig Zeit, zu viel Chaos. Im Mai gaben wir die Blockparty-Pläne erstmal auf. Nicht zuletzt, weil mit dem ersten Peace Harmony Classical Konzert gemeinsam mit der Deutschen Streicherphilharmonie ein Mammutprojekt Anfang Juli anstand.

Aufgeben kam natürlich nicht infrage. Also suchten wir einen neuen Termin – und fanden den 30. August. Die Umsetzung begann allerdings erst nach dem Classical-Konzert, weil vorher einfach niemand die Kapazitäten hatte, an zwei Großprojekten parallel zu arbeiten.

Nach ein paar Tagen Pause und dem Ende des Schuljahres/Semesters ging es dann wirklich los. Und schon in der ersten Woche stand die Frage im Raum: Wie organisiert man überhaupt eine Veranstaltung im öffentlichen Raum?

Kapitel 2: Hürden der deutschen Bürokratie

Sechs Wochen bis zur Blockparty: Offiziell steht nichts. Während Christian ununterbrochen Artists anhaut, arbeite ich mich durch die Website der Stadt Leipzig – und verzweifle fast. Schließlich schreibe ich eine Mail ans Ordnungsamt, stelle unser Projekt vor und frage, was wir überhaupt tun müssen, um so ein Straßenfest durchführen zu dürfen.Nach einigen Tagen Bangen kommt die Antwort. Die Erleichterung und der Schock kommen gleichzeitig:

Ja, ein Straßenfest in der Kolo ist grundsätzlich möglich.

Aber die Auflagen? Ein Berg. Ein (gefühlt) unüberwindbarer.

Ich verstehe ehrlich gesagt nur Bahnhof und wende mich (no joke) an ChatGPT: „Bitte mach mir aus dieser Mail eine Checkliste, wie man ein Straßenfest durchführt.“ Die Liste umfasst am Ende 11 Punkte.

Kurzfassung: Es bleiben fünf Wochen bis zur Blockparty, und wir brauchen eine Veranstalterhaftpflicht, eine verkehrsrechtliche Erlaubnis, ein Sicherheitskonzept, einen Bebauungsplan und vieles mehr. Dazu kommen Kosten. Viele Kosten.

Zum Glück war unser „Peace Harmony e.V.“ wenige Wochen zuvor als gemeinnützig anerkannt worden. Sonst hätten uns Nutzungsgebühren erwartet, die die Blockparty sofort gekillt hätten.

Die wichtigsten Unterlagen maile ich zwei Tage später in Form von acht PDFs ans Ordnungsamt. Jetzt heißt es warten – auf Rückmeldungen von Ordnungsamt, Sanitätsdienst und Verkehrssicherung. Und tatsächlich: Am 26. August, nach vier Wochen Hin und Her, liegt endlich die „Erlaubnis für die Durchführung einer Veranstaltung auf öffentlichem Verkehrsgrund“ vor.

Vier Tage vor Veranstaltungsbeginn dürfen wir offiziell feiern.

Kapitel 3: Glück gehabt

Ein „Go“ vier Tage vorher ist zugegeben… sportlich. Vor allem, weil wir das Event schon Wochen vorher angekündigt hatten und gefühlt halb Leipzig sich darauf freute. Eine Absage wäre fatal gewesen.

Und manchmal braucht es einfach Glück.

Ein solches Glück war die Begegnung mit den Mitgliedern des Bürgervereins Kolonnadenviertel e.V. Sie empfingen uns einen Monat vorher bei ihrer offenen Vorstandssitzung, unterstützten uns mit Begehungen und stellten uns am Veranstaltungstag ihre Räume als Awareness-Rückzugsräume und Backstage zur Verfügung – mit einer Selbstverständlichkeit, obwohl sie uns noch gar nicht kannten und kurz zuvor mit ihrem eigenen Kolle-Fest alle Hände voll zu tun hatten. Unendlichen Dank dafür.

Ein weiterer Glücksfall: unser inzwischen großartiger, unterstützender Bekanntenkreis:

Wir bekamen die komplette Anlage privat gespendet – sie ist jetzt im Vereinsbesitz – dazu die Bühne aus dem TV-Club, weitere Technik vom linXXnet, von Rondeau Production und von unzähligen Privatpersonen. Und natürlich das Crowdfunding, ohne das rein gar nichts gegangen wäre.

Zum Tag selbst könnte ich noch Stunden schreiben. Einen Einblick bekommt ihr HIER in unserem Vlog – einen kurzen Querschnitt erlaube ich mir trotzdem:

8:00 Uhr Treffen für den Bühnenaufbau und ab 11:00 Uhr Soundchecks. Fast auf die Minute pünktlich um 16:04 Uhr ging’s los: DJs (harriboe, DJ Tille), Bands (Xiconic, Little Light, Medium Green) und HipHop-Acts (Sir Pax, Dad E, Fenris83, EKL, Vive$$, Tokan, Dk Dando) bis 22:00 auf der Abgesperrten Kolonnadenstraße.

Dazu bereicherten uns die örtlichen Lokale mit Eis, Kaffee, Kaltgetränken, Schmuck,… und zahlreiche Initiativen, wie SeaWatch, Omas gegen Rechts, junge Frauenkommune, Gedenkstätte Zwangsarbeit und viele mehr mit spannenden, informativen Ständen und einem Stadtrundgang zum Thema Zwangsarbeit in Leipzig. Außerdem gab’s eine Tombola, Bingo, Basteln, Kunst-Stände, Merch und und und.

Auch die Clubnight im DUQO mit Pixxi, Räubertochter und Bad Manikin und zahlreichen DJs auf zwei Floors ging ordentlich ab. Am Ende waren wir 7:00 morgens wieder zuhause und nach unglaublichen 24h erstmal fertig mit der Welt.

Und zuletzt: Wir hatten Glück, dass der Tag friedlich verlief und es zu keinen nennenswerten Problemen kam. Trotz Veranstalter-Stress war es eine lebensverändernde Erfahrung zu sehen, was ehrenamtliches Engagement, Mut und ein bisschen Chaos bewegen können.

Kapitel 4: Und nun?

Wegen einer Reihe von Anwohnerbeschwerden und einer Anzeige gab es nach der Blockparty natürlich Nachspiele seitens der Stadt Leipzig. Die Stadtreinigung schickte uns eine üppige Rechnung für die „übermäßige Vermüllung der Kolonnadenstraße“, obwohl wir uns viel Mühe gaben, den gesamten Müll und Pfand einzusammeln.

In einem langen Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Ordnungsamts wurde klar: Wir hatten kein Beschallungskonzept vorgelegt und vermutlich mehrere Schallschutzvorgaben verletzt. Wegen fehlender Nachweise und dank der Kulanz der zuständigen Person wurde am Ende zum Glück auf eine Anzeige verzichtet.

Allerdings müssen wir realistisch sein:

Eine Blockparty in dieser Form, an diesem Ort, unter Einhaltung aller Vorgaben wird in Zukunft schwierig werden. Ob und wie wir 2026 in der Kolonnadenstraße wieder feiern, kann und will ich heute nicht versprechen. Sicher ist aber: Peace Harmony bleibt für die Leipziger Jugendkultur da. Und 2026 klopfen wir wieder mit vielleicht mit noch größeren Projekten an.

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